Klettern Frankreich: Auf die Aiguille Dibona – die unbekannte Schönheit

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Aguille Dibona: Klettern Frankreich

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Aiguille Dibona – die unbekannte Schönheit

Klettern Frankreich – Ein Kletterwochenende in den Französischen Alpen

Viele Kletterer haben den Namen Aiguille  Dibona vermutlich noch nie gehört, aber die meisten von ihnen wollen sicherlich schnurstracks dorthin, wenn sie ein Foto dieses unverwechselbaren Gipfels sehen: Die markante Felsnadel, die mitten in den französischen Alpenhimmel ragt, schreit geradezu danach, erklommen zu werden. Die einzig plausible Erklärung für die Unbekanntheit dieses schönen Berges ist vermutlich die Entfernung, denn die Reise für den Kletterurlaub in die Französischen Alpen ist lang. Die Aiguille Dibona (3.130 Meter) steht in den Dauphiné Alpen im Parc national des Ecrins zwischen Grenoble und Briancon und gehört zum Massif du Soreiller. Bekannte alpinistische Ziele in dieser Region sind der höchste Berg Barre des Ecrins (4.102 Meter), der zugleich auch der südlichste Viertausender der Alpen ist, die sagenumwobene La Meije, (3.983 Meter), der Mont Pelvoux (3.946 Meter) sowie L’Ailefroide (3.954Meter).

Doch die unbekannte “Schöne” muss sich nicht hinter ihren berühmten Nachbarn verstecken, im Gegenteil: Alleine der Anblick der Dibona ist diese Reise wert, nicht nur für Kletterer sondern auch für Wanderer und Naturliebhaber. Die breite Südwand und die exzellente Qualität des Granitgesteins ziehen dennoch vor allem Kletterer an. Man glaubt kaum, dass man wirklich bis an die Spitze der Nadel klettern kann, da sie aus der Ferne sehr dünn und fragil wirkt. Aber doch, man kann – noch dazu führen  unterschiedliche Routen auf die Spitze des munter aufragenden Granittürmchens, eine schöner und lohnender als die andere. Zum ersten Mal stand der italienische Bergführer und Ausnahmekletterer Angelo Dibona 1913 auf dem Felszacken, dem die Dibona ihren Namen verdankt. Heute ist dieser Anstieg der Normalweg (3+) auf den Gipfel.

Sonnige Granitkletterei vom Feinsten

Wer die Granitnadel nicht nur anschauen, sondern auch hinaufklettern will, sollte mindestens eine Übernachtung auf dem Refuge de Soreiller (2.719 Meter)  einplanen, das keine zehn Minuten vom Wandfuß entfernt liegt. Ausgangspunkt für den Zustieg ist das kleine Bergdorf Les Etages auf 1.587 Meter, das mit dem Auto erreichbar ist. Man folgt der N85 von Grenoble nach Briancon und biegt circa fünf Kilometer nach dem Abzweig nach Alpe d’Huez nach rechts ab und folgt der Straße Richtung St. Christophe en Oisans und La Berarde.
Der Zustieg zur Hütte dauert ca. 2,5 bis 3 Stunden – genug Zeit also,  um die Silhouette der Dibona zu bestaunen. Nur langsam rücken Felsnadel und Hütte näher, die zahllosen Serpentinen scheinen kein Ende nehmen zu wollen. Das kleine Refuge sieht mit seinen bunten Fensterläden sehr einladend aus, man wird von Hüttenwirtin Martine  auch sehr freundlich begrüßt und in Empfang genommen. Die Hütte ist seit ihrer Entstehung 1957 im Familienbesitz,  bietet knapp 90 Übernachtungsplätze und ist von Juni bis September geöffnet. Martine kennt alle Routen in der Wand wie ihre Westentasche und ist einige von ihnen sogar erstbegangen. Ideal also, um sich noch den ein oder anderen Insider-Tipp bei ihr abzuholen. Diverse Topos und handgeschriebene Skizzen liegen auf der Hütte aus, so können sich auch spontan Entschlossene  vor Ort über die Klettermöglichkeiten informieren. Für Alpinkletterer bietet die Südwand  vier verschiedene Routen an, die auf die Spitze der Dibona führen. Die Einstiege sind in wenigen Minuten von der Hütte zu erreichen. Für die Schwierigste, dafür aber am besten abgesicherte „Visite obligatoire“ (6a obl.) reichen ein 50-Meter Einfachseil sowie 10 Expresschlingen aus. Der Klassiker „Voie Madier“ (5c oblig.) verläuft meist im vierten und fünften Grad und verfügt über gut eingerichtete Standplätze, zum Teil sind auch die Zwischensicherungen mit Bohrhaken versehen. Friends und Keile sollten aber zum Nachrüsten mitgenommen werden, besonders für den „Madier-Riss“, die Schlüsselseillänge, benötigt man große Klemmgeräte.

Ganz links verläuft die „Voie de Savoyards“ (5c oblig.): Klassische Kletterei mit ebenso klassischer Absicherung (Normalhaken) erfordern die Mitnahme mobiler Absicherungen. Die „Südwand“ (5b oblig.) kombiniert die verschiedenen Seillängen der „Voie Madier“, weicht den schwierigsten Seillängen aber nach rechts aus, wodurch sie sich überwiegend im vierten Schwierigkeitsgrad zum Gipfel schlängelt.

Außerdem gibt es noch eine Vielzahl gut abgesicherter Sportkletterrouten an der Süd- und Ostwand – es gibt also genug zu tun, um sich an der Dibona mehrere Tage auszutoben.

„Pflichtbesuch“: Visite obligatoire

Hier ist der Name Programm: Durch bombastischen Fels, guter Absicherung und abwechslungsreicher Kletterei wird die Route in der Tat zu einem „Pflichtbesuch“. Ihren Namen hat die Route Martine und ihrem damaligen Mann Pascal zu verdanken: 1998 kletterten die beiden die Variante an der Südwand, da war Martine im sechsten Monat schwanger. Unentwegt erinnerte sie ihren Mann an ihren anstehenden Arzttermin am Nachmittag und trieb ihn dadurch zur Eile an. Ihm gingen ihre zahlreichen Erwähnungen an ihren „Visite obligatoire“ auf die Nerven – und die Tour bekam ihren Namen. Kaum zu glauben, dass Martine diese sehr anstrengende und lange Kletterei  mit Babybauch überhaupt bewältigen konnte…

Los geht’s mit  zwei Seillängen Plattenkletterei (6a), die zwar gewöhnungsbedürftig, aber durch den sensationellen  Grip und den vertrauensvollen Bohrhaken doch zu meistern sind. Etwas Mut und ein beherzter Antritt können dennoch nicht schaden. Hier teilt man sich den Stand mit der benachbarten „Voie de Savoyards“ und klettert von hier aus weiter nach rechts. Die Wand wird steiler, die Griffe und Tritte dafür größer und besser. Ab Seillänge vier gilt es Überhänge zu überwinden, und die Kletterei wird ausgesetzter und luftiger, so auch die schwierigste fünfte Seillänge (6a+), die an zwei parallelen Rissspuren hinaufführt. Piazen ist hier angesagt – angesichts der sehr guten und griffigen Risse und den kurzen Abständen der Bohrhaken ein wahrer Genuss und sehr lohnend. Trotz allem ist das Piazen kräftezehrend und man ist dankbar für die drei folgenden leichteren Seillängen (5c, 5a, 5c), um wieder zu Kräften kommen. Danach heißt es ohnehin warten: Man erreicht den „Flaschenhals“, wo alle Routen und damit auch Seilschaften der Südwand zusammenkommen. Die Wand ist hier nur noch zehn bis zwanzig Meter breit und es führen verschiedene Varianten zum Gipfel. Folgt man der „Visite“, gilt es noch vier luftige Seillängen im sechsten und fünften Schwierigkeitsgrad zu meistern und wird dafür mit großartigen Ausblicken auf die Dauphiné Alpen belohnt. Nach 13 Seillängen erreicht man schließlich den höchsten Punkt der Nadel. So eng, wie man von unten denkt, ist es hier oben gar nicht – immerhin haben zwei Seilschaften Platz für den spektakulären 360° Blick. Der Abstieg ist vom Gipfel aus gut zu erkennen. Auf der gegenüberliegenden Nordseite seilt man zweimal ab und klettert dann links an der Scharte vorbei an der Westseite unschwierig hinab. Letztlich quert man das Schneefeld, und läuft dann im verblockten Gelände zur Hütte zurück.

Fazit: Klettern Aiguille Dibona

Insgesamt ist die „Visite obligatoire“ eine fantastische Plaisir-Route in hervorragendem festen Granit und guter Absicherung, allerdings anhaltend schwierig (6a) und  anstrengend. Durch die vielen weiteren Routen in der Wand ist die Routenfindung nicht völlig problemlos, auch weil es viele Varianten gibt, vor allem im oberen Teil. Nicht alle anderen Routen sind so gut abgesichert wie die „Visite“, deswegen schadet die Mitnahme einiger Friends nicht, falls man sich auf einmal doch in einer anderen Route befindet oder an anderen langsameren Seilschaften vorbeiziehen will. Bei den Franzosen ist die Dibona nämlich keine Unbekannte, und man wird wohl nur äußerst selten alleine in der Wand unterwegs sein. (LH).

Fakten zur „Visite Obligatoire“

Klettermeter:                400 Meter
Höhe Einstieg:              2.719 Meter
Höhe Gipfel:                  3.131 Meter
Ausrichtung:                 Süd
Schwierigkeitsgrad:    6a obligatorisch, schwierigste Stelle 6a+
Dauer:                            4-5 Stunden
Erstbegeher:                 1988 eröffnet, im Jahre 2000 von Pascal Junique mit Bohrhaken saniert

Der Artikel ist als Gastartikel von Lena Helmreich erschienen. Lena ist fast jedes Wochenende zum Klettern, Mountainbiken oder Skibergsteigen in den bayrischen Voralpen, Tirol und Südtirol unterwegs. Weitere Liebling-Reviere sind die schweizerischen und französischen Alpenregionen. Hier findest Du einen weiteren spannenden Artikel zum Thema Klettern Dolomiten von Lena.

Aiguille Dibona

Aiguille Dibona, Magazin Klettern (c)

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